Blicke in den „Maschinenraum“ der Aufsichtsbehörden und der Banken offenbaren; die gewonnene Zeit wurde genutzt. Die Umbaumaßnahmen laufen auf hohen Touren. Es finden technische und organisatorische Anpassungen statt und die Personalstrukturen bei Banken und Aufsichtsbehörden verändern sich nachhaltig.
Während mit der Krise einige berufliche Karrieren bei Banken ein jähes Ende fanden, ergeben sich nun in der Folge der Krise neue Karrierechancen in der Aufbereitung und Bewertung von Risikodaten. Über Jahrzehnte fristeten solche Aktivitäten – summiert unter dem Begriff Meldewesen - ein Schattendasein. Meldewesen galt als aufsichtsrechtliche Forderung, die notgedrungen geleistet werden musste.
Treffen Sie am 19. März 2014 auf der Bankenaufsicht Experten, führen direkte Gespräche mit der EBA, erfahren Sie, wie genau das OeNB-Modell funktioniert und welche konkreten Pläne es in Deutschland gibt, das Meldewesen weiterzuentwickeln!
Die Krise führte zu einem Wandel. Auf allen Hierarchieebenen werden Mitarbeiter mit Qualifikationen zur Erhebung und auf Aufbereitung von Daten zur Risikoanalyse gesucht. Sowohl die Aufsichtsbehörden als auch die Banken schaffen neue Stellen für Mitarbeiter, die mit kritisch-kreativem Blick bankbetriebliche Zusammenhänge erkennen und gleichzeitig in der Lage sind, mit Hilfe von leistungsfähiger EDV in dynamischen Modellen zu denken. Für sie eröffnen sich Karrierechancen bis zu höchster Führungsebene.
Selbst die Beratungsbranche für die Aufbereitung und Auswertung der bankbetrieblichen Risikodaten ändert sich. Es gibt neue Qualifikationsanforderungen für die Berater. Hatte sich die Entwicklung von Meldewesensoftware bisher primär an der Erzeugung von Formularen ausgerichtet, stehen heute Modellierungen von modernen Datenbankstrukturen / Data Cubes im Vordergrund. Diese Entwicklungen könnten eine weitere Welle der Auslagerung von Meldeaktivitäten auslösen. Weiterer Personalbedarf für Spezialisten des Meldewesens ergibt sich dann bei Rechenzentralen oder neu zu gründenden Unternehmen, die auf das Meldewesen spezialisiert sind.
Problembewusstsein ist gereift
In Veröffentlichungen der Europäischen Kommission wird auf zwei Erkenntnisse aus der Krise hingewiesen. Verbessert werden müsse erstens die grenzüberschreitende Kooperation zwischen Geldpolitik und Aufsicht sowie zweitens die Informationsbasis und die Möglichkeiten zur Informationsauswertung über die Märkte und seine Teilnehmer.
Während der Anfangsphase der Krise wurden grenzüberschreitende Entwicklungen zu spät erkannt und nicht richtig bewertet. Denn die zunächst verfügbaren Informationen waren für die Entscheidungsträger der Banken und der Aufsichtsbehörden nur schwer analysierbar. Verlässliche Grundlagen für Prognosen über Auswirkungen von erkannten Fehlentwicklungen bzw. zu den Wirkungen möglicher Maßnahmen fehlten. Institute mit vergleichbaren aufsichtsrechtlichen Kennzahlen – wie z.B. die Eigenkapitalausstattung - erwiesen sich als sehr unterschiedlich gewappnet, die Marktschocks zu absorbieren. Notwendige Entscheidungen konnten mit vorhandenen Daten über die unterschiedliche Qualität von Eigenkapital und Liquidität sowie den verfügbaren Kenntnissen über die Entscheidungsprozesse der Banken und deren Geschäftsbeziehungen untereinander nicht zügig getroffen werden.
Offensichtlich wurde, dass es Aufsichtsbehörden gab, die Bilanzpositionen als Eigenkapital anerkannten, die nur bedingt Verluste absorbieren können. Behördenkompetenz beschränkte sich oft auf rein formale Prüfung der mit Basel 1 und 2 vorgegebenen aufsichtsrechtlichen Kenngrößen. Die Komplexität der Geschäfte und die Aussagekraft der aufsichtsrechtlichen Datenbestände divergierten.
Selbst einige Bankvorstände verloren die Kontrolle. Es gab Banken, die sich mit viel Fremdkapital, aber ohne ausreichende Kenntnisse über angemessene Liquidität und ohne umfassendes Risikomanagement in für sie nicht beherrschbare Geschäfte wagten. Ihnen fehlte es an Ressourcen, um die in zunächst profitabel wirkenden Geschäften schlummernden Risiken korrekt zu bewerten. Im Gesamtvorstand konnten die Risiken nicht angemessen diskutiert werden. Problembewusstsein herrschte meist nur in Teilbereichen der Bank. Warnungen fanden nur unzureichend Gehör, weil die warnenden Personen i. d. R. die Gesamtproblematik - insbesondere unter dynamischen Entwicklungen – nicht beschreiben konnten.
Mit Steuergeldern wurde Zeit erkauft, um unkontrollierbare Folgeschäden weiterer Bankenzusammenbrüche abzuwenden. Hieraus leiteten Europas Politiker die Rechtfertigung ab, ihre Forderungen nach verbesserter Kapital- und Liquiditätsausstattung sowie umfassenderer Informationsbereitstellung massiv zu steigern. Ihre Forderungen werden von der European Banking Authority (EBA) in London für europäische Banken einheitlich konkretisiert. Mitarbeiter von Banken, Rechenzentralen und externen Software- und Beratungshäusern sind damit beschäftigt, diese Datenanforderungen zu erfüllen. Weil aber auch das Top-Management der Banken selbst besser informiert sein will, werden diese extern eingeforderten Daten mehr als früher auch für die interne Risikobeurteilung und Risikosteuerung herangezogen.
Neue Manager bei Banken und Aufsichtsbehörden
Lektionen wurden gelernt. An die Lösung der Komplexität wurden Personen gesetzt, die in der Lage sind Risikotragfähigkeiten zu ermitteln, Kapital- und Liquiditätsprognosen auch im dynamischen Umfeld zu erstellen. Die EBA griff mit Unterstützung der Europäischen Zentralbank (EZB) und nationaler Aufsichtsbehörden die Konzepte von Basel 3 auf und entwickelte sie in einigen Punkten sogar weiter. Erstmalig entstand ein harmonisiertes, für alle Banken der EU verbindliches Regelwerk.
Mit weiterem Personal bei EBA und EZB (für die Überwachung der systemrelevanten Institute) wird die Loyalität zu einer europäischen Aufsicht weiter gefestigt und ausgebaut. Gleichzeitig gilt es „Monokulturen“ zu vermeiden, die entstehen könnten, wenn es nicht gelingt, die anfänglich doch stark auf börsennotierte Großbanken ausgerichteten Mechanismen weiter zu entwickeln, um den Besonderheiten gerecht zu werden, wie sie z. B. in Deutschland für die Beaufsichtigung von Genossenschaftsbanken und Sparkassen notwendig sind. Durch das Einbringen regionalen Wissens ist dafür zu sorgen, dass risikomindernde Effekte geschützt werden, die von auf regionale Finanzbedürfnisse ausgerichteten Banken ausgehen. Beispielsweise leisten in Deutschland Sparkassen und Genossenschaftsbanken wichtige Beiträge für die regionale Versorgung, wie sie von großen Aktienbanken nicht geleistet werden. Dafür bedarf es bei EBA und ECB zusätzlicher qualifizierter Mitarbeiter, die mit den regionalen Besonderheiten des regional unterschiedlichen europäischen Bankengeschäfts vertraut sind. Für Mitarbeiter der regionalen Aufsichtsbehörden ergeben sich internationale berufliche Perspektiven, wie sie vor der Finanzkrise undenkbar waren.
Auch bei Banken entstehen neue Berufsbilder aus der Erkenntnis, dass den Vorständen während der Krise Informationen über potentielle Risikokonstellationen und notwendige strategische Maßnahmen zur Steuerung dieser Risiken fehlten. Einige Banken haben neue „C-Funktionen“ (z. B. Chief Compliance Officer) im Vorstand geschaffen oder unmittelbar unterhalb des Vorstandes neue Berichtslinien installiert, die bessere Risikosteuerung ermöglichen. Zuständigkeitsbereiche werden neu geschnitten. In einigen Banken ziehen die für das Risikomanagement zuständigen Vorstände sogar Teile der EDV an sich, um die notwendige Datengenerierung und Datenauswertung unter ihre Regie zu nehmen. Selbst bei kleineren Banken werden Auswirkungen der Finanzkrise, die neue regulatorische Anforderungen brachten, auf die Arbeiten des Gesamtvorstandes deutlich. Bei Neuberufungen von Vorständen achten das Kollegium und die Kontrollgremien vermehrt darauf, im Vorstandsgremium die Kompetenz für die Erhebung und Auswertung von risikorelevanten Daten zu stärken. Intensive Nachschulungen der Vorstände sind notwendig. Bis auf Ebene der Sachbearbeiter entstehen neue Arbeitsplatzbeschreibungen und neue Stellen. Trotz deutlich ausgebauter Unterstützungen durch Rechenzentralen wächst der Personalbedarf für die Erhebung und Aufbereitung von risikorelevanten Daten selbst bei den kleinsten Banken.
Neue Kommunikationswege und Methoden
Die mit der Harmonisierung des Meldewesens einhergehende Zentralisierung führt dazu, dass sich neue Wege und Formen der Kommunikation zwischen Banken und Aufsichtsbehörden etablieren müssen. Für die in der Vergangenheit ausgetretenen kurzen Kommunikationspfade muss Ersatz bzw. Ergänzung auf europäischer Ebene geschaffen werden. Die Mitarbeiter aus nationalen Aufsichtsbehörden, die ihre Arbeit bei EBA aufnahmen und in den nächsten Wochen und Monaten insbesondere bei der EZB noch aufnehmen werden, leisten ihren Beitrag dazu. Aber auch bei den Mitarbeitern der Banken müssen die Fähigkeiten verbessert werden, mit internationalen Organisationen zu kommunizieren, die eine europäische und nicht eine nationale Perspektive einzunehmen haben und ggf. in einer fremden Sprache reden und denken.
Um die umfassenderen externen Meldeanforderungen – aber auch für die gestiegenen internen Anforderungen -effizienter bedienen zu können, sind neue Datenmodellierungen notwendig. Einen interessanten Weg hat die Österreichische Notenbank (OeNB) eingeschlagen. Die OeNB gibt den österreichischen Banken ein spezifisches Datenanlieferungsformat vor, den sog. Basic Cube. Daraus werden sog. Smart Cubes erzeugt, mit denen die heutige Formularwelt abgelöst wird. Insbesondere für ad-hoc Auswertung bieten die Cubes wesentlich mehr Flexibilität.
In Arbeitsgruppen, in denen Mitarbeiter der Aufsicht, der Notenbank und der Geschäftsbanken eng zusammenarbeiten, werden die Cubes weiterentwickelt. Auf Anregung der OeNB gründeten die österreichischen Banken ein zentrales Unternehmen, in dem auf den Cubes aufbauende neue Meldewesensoftware entwickelt und anschließend gemeinschaftlich als Rechenzentrumsleistung betrieben werden.
Derzeit sind sechs große Institute an der Austrian Reporting Services GmbH (AuRep) beteiligt. Die AuRep soll die Datenqualität erhöhen und gleichzeitig die regulatorischen Kosten für die teilnehmenden Institute reduzieren sowie mehr Flexibilität zur Erfüllung der kommenden Anforderungen schaffen.
Wie bei allen in den letzten Jahren gestarteten Gemeinschaftsinitiativen von Banken, erforderte auch die Gründung der AuRep ein hohes Maß an Führung. Unterschiedliche – und selbst beim Meldewesen teilweise konträre – Interessen einzelner Banken mussten mit hohem Top-Managementeinsatz koordiniert werden. Es wird spannend sein zu beobachten, wo außerhalb Österreichs genügend Führungskraft aus Banken herausentwickelt wird, um institutsübergreifend vergleichbare Gemeinschaftslösungen zu schaffen oder ob es mit unternehmerischem Elan gelingt, zunächst ein neues Zentralangebot zu schaffen, an dem sich Banken dann einzeln beteiligen bzw. dort Leistungen einkaufen.
Das Modell, dass ein von den Banken unabhängiger Dritter eine dem österreichischen Konzept ähnliche Lösung anbietet, hat einen gewissen Charme. Gute Abstimmung zwischen Aufsichtsbehörden, Banken, ihren Rechenzentralen und neuen Serviceanbietern setzt allerdings auch dieser Ansatz voraus.
Auf jeden Fall besitzt das österreichische Modell genügend Potential, um weitere nachhaltige Veränderungen in der europäischen Bankenlandschaft auszulösen. Mit der Auslagerung der Aufbereitung von risikorelevanten Daten werden sich die Qualifikationsanforderungen an die in den Banken verbliebenen Mitarbeiter nochmals verändern. Bei Rechenzentralen bzw. neu gegründeten Serviceunternehmen werden EDV-affine Meldewesenspezialisten weitere Betätigungsfelder finden.
Die Geschäftsmodelle des Beratungsgeschäfts in Fragen Meldewesen könnten sich ebenfalls deutlich verändern. Während heute Lizenzen für dezentral installierte Meldewesensoftware möglichst häufig zu verkaufen sind, könnten zukünftig Rechenzentrumsleistungen einen höheren Marktanteil für zentralisierte Dienste übernehmen. In der Folge würde das Geschäft für die heute häufig verkauften Beratungsleistungen zur dezentralen Softwareinstallation und zum dezentralen Betrieb an relativer Bedeutung einbüßen. Hingegen stiege der Bedarf für vertiefende Beratung zur Steuerung der Schnittstelle zwischen Bank und zentralem Servicedienstleister. Außerdem könnte sich ein Beratungsmarkt für die Auswertung hochaggregierter Daten aus den Cubes entwickeln, die weder bei Banken noch bei Serviceanbietern sinnvoll angesiedelt werden können.
Mit Kenntnissen des Meldewesens ins Zentrum der Banksteuerung
Die Finanzkrise hat die europäischen Banken über alle Hierarchieebenen hinweg verändert. Für die Erhebung und Aufbereitung von risikorelevanten Daten entstehen weitere hochqualifizierte Arbeitsplätze bei Banken, ihren Rechenzentralen, den Aufsichtsbehörden und in der Software- und Beratungsindustrie. Kompetenzen im Meldewesen setzen interdisziplinäre Fähigkeiten voraus und eröffnen spannende berufliche Perspektiven.
Autor: Prof. Dr. Jürgen Bott, Fachhochschule Kaiserslautern
Kontakt: Kathrin Dietrich-Pfaffenbach, Conference Director EUROFORUM | XING