Am 5.3.2012 wurde der erste Antrag nach dem gerade durch das ESUG in Kraft getretenen neuen § 270a InsO für die Dura-Unternehmensgruppe wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt, weil gekündigte Lieferantenkredite Ende März zur Nichtzahlung der Lohnkosten geführt hätten. Außerdem fehlten
für Ende 2012 die Mittel für die Rückzahlung von Mezzaninkapital. Bei diesem Pionierverfahren, von dem zuletzt noch mehr als 600 Mitarbeiter in zwölf Unternehmen an fünf Produktionsstätten betroffen waren, musste Neuland betreten werden.
Erfolgsfaktoren
Erfolgsfaktoren waren dabei die intensive Vorbereitung ab etwa Mitte Februar und die Zusammenarbeit von zwei Insolvenzrechtsspezialisten in der Form einer sogenannten Tandemverwaltung der beiden Autoren. Während Dr. Stefan Oppermann bereits vor Antragstellung beratend involviert war und nachAntragstellung das Verfahren als CRO begleitet hat, wurde Ottmar Hermann als Sachwalter nach hierzu geführten Vorgesprächen vorgeschlagen, in die auch potentielle Gläubigerausschussmitglieder, darunter die Bundesagentur für Arbeit, der Betriebsrat, Banken und Kleingläubiger bereits im Vorfeld eingebunden wurden.
Insolvenzrechtliche Sanierungsinstrumente
Bei konsequenter Umsetzung der insolvenzrechtlichen Sanierungsinstrumente kann ein solches Verfahren mit einer dauerhaften Gesundung verbunden sein, wenn die Unternehmensleitung erforderliche Schritte in der Folge beherzt umsetzt. Bevor in der Zukunft wieder in neue Technologien, Produkte und Verfahren investiert werden kann, geht einem solchen Neuanfang aber ein notwendiger und einschneidender Kosteneinsparungsprozess voraus. Bei Verfahrenseröffnung gab es 658 Mitarbeiter, von denen 90% bleiben konnten. Der notwendige Personalabbau wurde sozialverträglich und im Einvernehmen mit dem Betriebsrat vorgenommen. Ein produktiver Unternehmensteil in Bremen, der nicht selbstständig überlebensfähig war, wurde an Wettbewerber verkauft.
Auch durch diese Maßnahme wurden Arbeitsplätze erhalten. In anderen Verfahren kann es natürlich auch notwendig sein, ganze Standorte zu schließen und Mitarbeiter zu entlassen. Bei dem Verfahren ging es um zwei unterschiedliche Bereiche des Unternehmens: Zum einen um die Teppichsparte (Bodenbeläge) und zum anderen um den Automotive-Bereich (Zulieferung von Innenraumteilen für die Automobilbranche).
Im Bereich der Bodenbeläge, der branchenweit seit Jahren ständige Rückgänge verzeichnet hat und in dem in der Vergangenheit noch nie ein Unternehmen in der Insolvenz überleben konnte, ist es während des Verfahrens nicht nur gelungen, wesentliche Kunden zu halten, sondern sogar Neukunden zu gewinnen, weil neue Produkte herausgebracht wurden und trotz Insolvenz in die Zukunft investiert wurde. In der Automobilzulieferung konnte nach erheblichen Anfangsschwierigkeiten eine Stabilisierung realisiert werden, was zur Fortsetzung der Zusammenarbeit mit allen Automobilkunden führte.
„Es ist während des Verfahrens nicht nur gelungen, wesentliche Kunden zu halten, sondern sogar Neukunden zu gewinnen, weil neue Produkte herausgebracht wurden und trotz Insolvenz in die Zukunft investiert wurde.“
Mit der Umstrukturierung des viel zu teuren Vertriebs wurde begonnen. Diese Maßnahmen müssen nach Abschluss des Verfahrens noch weitergeführt werden, um hier eine nachhaltige Stabilisierung zu erreichen. Schon während des dreimonatigen Antragsverfahrens waren Eigenverwaltung und Sachwaltung mit der konkreten Vorbereitung von Sanierungsmaßnahmen befasst, in Einzelfällen auch bereits mit der Umsetzung. Dies war die Basis für die Verbesserung der Sanierungschancen. Im konkreten Fall ist es in der beschriebenen Tandemverwaltung gelungen, alle Produktionsstandorte zuerhalten, ebenso wie den allergrößten Teil der Arbeitsplätze.
Sicherungsgläubiger
Die Banken wurden ins Boot geholt und stimmten im Insolvenzplan zu, dass ihre Kredite gegen Zinszahlung ab Planbestätigung gestundet werden, ohne dass die Sicherheiten, die für die Betriebsfortführung benötigt werden, zwangsverwertet werden. Die Passivseite wurde stark entlastet, und zwar von über 60 Mio Euro um mehr als 50% sowohl im Bereich Eigenkapital (Mezzaninkapital) als auch bei den Fremdverbindlichkeiten.
Auch mit allen anderen Sicherungsgläubigern konnten gesetzeskonforme Einigungen verhandelt werden. Die ungesicherten Gläubiger erhalten für drei Jahre die prognostizierten Gewinne der Gruppe, wobei diese durch die Gesellschafter in der geplanten Höhe garantiert werden. Diese zukünftige Planerfüllung wird vom bisherigen Sachwalter in der Folge überwacht. Nur die Gläubiger, deren Forderungen mit einem gesetzlichen oder vertraglichen Nachrang behaftet sind, wozu allerdings auch die erheblich beteiligten Mezzaninkaptalgeber gehören, werden bei der Quote nicht berücksichtigt.
Die Konzernstruktur wurde verschlankt; von den Anträgen betroffen waren zwölf Gesellschaften. Das operative Geschäft wurde auf drei Gesellschaften
konzentriert, die dann zusammen mit der Holding über Insolvenzpläne saniert wurden. Drei Pläne wurden einstimmig, der Plan der Holding mit einer einzigen Gegenstimme angenommen. Man kann also von einer riesigen Zustimmung der Gläubiger sprechen.Bereits Ende 2012 stimmten die Gläubiger mit überwältigender Mehrheit den vorbereiteten Insolvenzplänen zu, die bereits kurze Zeit später rechtskräftig wurden, so dass die Insolvenzverfahren der Produktionsbetriebe und der Holding aufgehoben werden konnten.
Eigenverwaltung und Sachwaltung
- Verfahren in Eigenverwaltung sind echte Insolvenzverfahren. Auf der einen Seite werden alle Vorteile eines Insolvenzverfahrens eröffnet, zum Beispiel die Sonderkündigungsrechte nach §§ 103ff InsO, auf der anderen Seite sind vor allem die Gläubigerinteressen zu wahren. Als wesentliche Aufgabe obliegt es der Eigenverwaltung, das Konzept sowie die Stoßrichtung des konkreten Verfahrens zu entwickeln.
- Mit der Stärke und Kompetenz der Eigenverwaltung korrespondiert die Stellung des Sachwalters. Je kompetenter die Eigenverwaltung ist, desto mehr und besser lassen sich die verschiedenen Aufgabenbereiche zwischen Eigenverwaltung und Sachwaltung verteilen. Ein Sachwalter hat also aktiv zu sein und muss und darf der Eigenverwaltung auch beratend zur Seite stehen, um die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger zu erreichen.
Autoren:
Dr. Stefan Oppermann, Rechtsanwalt, Curator AG
Ottmar Hermann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Herman
Kontakt: Petra Leven, EUROFORUM www.handelsblatt-journal.de | XING