Während viele Finanzinstitute noch mit den Folgen der Finanzkrise und der Flut an neuen Regularien beschäftigt sind, haben zumeist branchenfremde Unternehmen das Innovationsvakuum und die Möglichkeiten mobiler Vertriebswege dazu genutzt, die etablierten Banken in einigen ihrer angestammten Geschäfte in die Defensive zu drängen.
Stellvertretend für diese Entwicklung sei der Bezahldienst Paypal erwähnt, der binnen kurzer Zeit zum Marktführer bei Bezahlvorgängen im Internet aufgestiegen ist. Kein Zweifel: Die etablierten Finanzinstitute werden das Heft des Handelns nur dann wieder in die Hand bekommen, wenn es ihnen gelingt, verlorengegangenes Vertrauen der Kunden in ihre Integrität und Leistung zurückzugewinnen sowie ihre ureigenen Stärken weiterzuentwickeln.
Kundenbindung ist das A und O bei Geschäften jeglicher Art
– das gilt für die Betreuung in sensiblen Finanzfragen natürlich besonders. Die Banken werden es aber nur dann schaffen, ihre Kunden wieder stärker an sich zu binden, wenn sie verlässlich, klar und nachvollziehbar handeln, sodass die Kunden wieder Vertrauen in die Integrität des Finanzsektors aufbauen können und das Gefühl haben, dass sie dort fair betreut werden.
Vor diesem Hintergrund ist absehbar, dass sich die Anbieter von Finanzdienstleistungen zunehmend spezialisieren und verstärkt Produkte und Dienstleistungen anbieten werden, die auf einen jeweils spezifischen Kundenbedarf abgestimmt sind. Insofern wird Marken mit hohem Wiedererkennungswert und klar ersichtlichem Mehrwert für die Kunden die Zukunft im Bankgeschäft gehören – und nicht „Gemischtwarenläden“ mit unklarem Markenprofil.
In diesem Zusammenhang halte ich eine strikt leistungsorientierte Vergütung für eine conditio sine qua non: Aus meiner Sicht muss es für den Kunden nachvollziehbar und transparent sein, warum zum Beispiel eine Betreuung in Kapitalmarktfragen Geld kosten muss. Schließlich bringt der Kundenberater nicht nur seine Zeit ein, sondern auch eine fachspezifische Ausbildung – sein Know-how und seine Erfahrung.
Umso mehr wir es schaffen, unseren Kunden den Mehrwert einer bestimmten Dienstleistung zu erklären, desto größer wird seine Bereitschaft sein, dafür auch einen adäquaten Preis zu zahlen
Dass dies keineswegs ein aussichtloses Unterfangen ist, zeigt eine ähnliche Entwicklung aus der Verlagsbranche: Noch vor Jahren ging die Bereitschaft von Internet-Usern gegen Null, für journalistisch aufbereiteten „Content“ zu zahlen. Inzwischen zeigen Beispiele wie das erfolgreich etablierte Online-Abo der New York Times in eine andere Richtung: Auch im Zeitalter der digitalen Medien wissen Kunden mit spezifischen Ansprüchen Fach-Know-how, Seriosität und Erfahrung zu schätzen.
Und gerade diese Kunden könnten Banken über intensive persönliche Kontakte eng an sich binden, vor allem in Bezug auf Themen, die individuelle Beratung und intensive Betreuung erfordern – darunter das Wertpapiergeschäft und das hochkomplexe Thema der privaten Altersvorsorge, das im Zuge der alternden Gesellschaft in den nächsten Jahren deutlich an Gewicht gewinnen wird. So brauchen wir etwa dringend eine kompetente Beratung für die Altersvorsorge mit hohem Aktienanteil – denn alles andere wird nicht ausreichen, um den Lebensstandard der noch arbeitenden Generation zu sichern.
Dagegen erachte ich die Vorstellung, bestimmte Bankdienstleistungen kostenlos zu erbringen, für absurd
Dazu gehören Themen wie kostenlose Bargeldversorgung ebenso wie Prämien und höhere Zinssätze bei Festgeldanlagen für Neukunden. Auf solchen „Geschäftsmodellen“ lassen sich keine nachhaltig tragfähigen Kundenbeziehungen aufbauen – ganz im Gegenteil verstärken sie die Intransparenz in der Bankenbranche und leisten der sowieso schon stark ausgeprägten Tendenz zum Anbieter-Hopping Vorschub. Kurzum: Wirklich gefragt sind langfristig tragfähige und gut durchdachte nachhaltige Lösungen statt hektischer Betriebsamkeit in der Vertriebsmaschinerie und unausgegorener Produkte mit wenig oder gar keinem Kundennutzen.
Auch Quersubventionen im Geschäft mit institutionellen Kunden, zum Beispiel kostenfreie M&A-Beratung bei gleichzeitiger Kreditaufnahme, konterkarieren die Bemühungen, verlorengegangenes Kundenvertrauen zurückzugewinnen. Sie dienen dazu, kurzfristig die Ertragsrechnung zu optimieren, statt das Fundament für langfristige Kundenbeziehungen zu legen – eine Grundvoraussetzung dafür, dass Vertrauen durch verlässliches Handeln und faire, nachvollziehbare Rahmenbedingungen wachsen kann.
Fairness alleine reicht natürlich nicht aus, um Kunden für sich zu gewinnen und sie an sich zu binden: Diese im Geschäftsgebaren selbstverständliche ethische Haltung muss gepaart sein mit wettbewerbsfähigen Produkten und Dienstleistungen mit erkennbarem Mehrwert für den Kunden, wozu zum Beispiel in der Vermögensverwaltung auch eine gute Performance zählt.
Last but not least müssen Banken ihre Innovationskraft stärken
und durchaus vorhandene Ideen für neue wettbewerbsfähige Produkte mit hohem Kundennutzen nicht nur konzipieren, sondern auch umsetzen. Zwar steht dem entgegen, dass die DNA der Banken nach der Finanzkrise stärker denn je vom Risikomanagement-Gen geprägt ist; doch bei der Prüfung jedes Einzelfalls sollten die Verantwortlichen berücksichtigen, dass Fortschritt niemals ganz ohne Risiken zu haben ist.
Autor: Emmerich Müller, persönlich haftender Gesellschafter, Bankhaus Metzler
Kontakt: Carola Bergmann, Conference Director EUROFORUM | XING
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