Banken, Fintechs, Big-Techs – Wer bestimmt die Ökosysteme und das Banking der Zukunft?

09.03.2020FinanceBanken, Fintechs, Big-Techs, Ökosysteme, Banking

Interview mit: Prof. Dr. Silke Finken, Professorin für International Management und Innovationen, International School of Management (ISM)

Mehr als Bank: Vor welchen Herausforderungen stehen Groß-, Direkt- und regionale Banken in den kommenden Jahren und warum sollten Entscheider/innen Chancen mit Open Banking nutzen?

Drei große geschäftspolitische Herausforderungen speziell für Retail-Banken in den kommenden Jahren sind neben dem niedrigen Zinsniveau erstens die sich ändernden Kundenerwartungen, zweitens der zunehmende Wettbewerbsdruck durch Challenger-Banken, Fintechs und „big techs“ sowie drittens die wachsende Bedeutung von Kundendaten und deren tiefgehende Analyse aufgrund technologischer Entwicklungen wie advanced data anlytics und cloud computing. Speziell jüngere Kunden erwarten ein intuitives, kundenfreundliches, nahtloses und unterhaltsames digitales Nutzererlebnis - so wie sie es in anderen Bereichen ihres Lebens bereits gewöhnt sind. Firmen wie amazon und alibaba bieten Konsumenten aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Daten maßgeschneiderte Angebote zu diversen Bedürfnissen des täglichen Lebens sowie ein attraktives Kundenerlebnis. Dazu gehört vielfach die Integration einfacher Finanzprodukte wie Zahlungen oder Finanzierungsangebote in den Kontext ihrer Customer Journeys. Auch wenn Banken noch die dahinterliegende Infrastruktur bereitstellen – die Kundenschnittstelle gehört speziell in der digitalen Welt zunehmend anderen Unternehmen.

Open Banking bedeutet in diesem Kontext Herausforderung und Chance zugleich: Zum einen müssen die Banken ihre Infrastruktur und damit Kunden- und Transaktionsdaten bis zu einem gewissen Grad und unter bestimmten Bedingungen für Dritte öffnen. Dies kann zu einem zunehmenden Verlust der Kundenschnittstelle für die Banken führen, da andere Unternehmen Kontoinformationen oder die Auslösung von Zahlungen zukünftig in ihrer Umgebung anbieten. Auf der anderen Seite können Banken auch proaktiv mit neuen Partnern zusammenarbeiten und damit neue Leistungen für ihre Kunden anbieten, die über reine Finanzdienstleistungen hinausgehen. Dies wiederum erhöht die Relevanz und Präsenz der Banken im täglichen Leben ihrer Kunden und kann auch neue Kundengruppen und -potenziale über die Partner erschließen.

Alle reden von neuen Geschäftsmodellen und der Gestaltung neuer Ökosysteme. Wie soll man sich hier strategisch positionieren?

Den Trend einer zunehmenden Vernetzung von Dienstleistungen, Produkten und Unternehmen gibt es schon seit einigen Jahren. Unternehmen wie amazon, Google, alibaba und Tencent zeigen eindrucksvoll, wie man ein umfangreiches Angebot durch die geschickte Integration von Drittanbietern darstellt: Der Anteil am physischen Brutto-Warenumsatz auf amazon durch unabhängige Verkäufer ist bis 2018 auf 58 Prozent angestiegen und WeChat beispielsweise integriert über seine Miniprogramme eine Reihe von Angeboten unabhängiger Unternehmen wie Starbucks und McDonalds, welche die Kunden direkt im Kontext der WeChat-App nutzen können. Auch Zahlungs- und Finanzierungsmöglichkeiten sind häufig direkt in die Customer Journeys integriert.

Angesichts der unvermeidbaren Öffnung der Bankeninfrastruktur, aber auch der zunehmenden digitalen Integration und Vernetzung als potenziellem neuem Standard müssen sich Banken Gedanken darüber machen, wie sie sich und ihre Angebote angesichts der stärker werdenden Plattformen und Ökosysteme positionieren. Stärkere Kooperation mit strategischen Partnern eröffnen Chancen, über diese neue Kundengruppen zu erreichen, Lücken im eigenen Leistungsspektrum zu schließen und Leistungen über das eigene Produktportfolio hinaus anzubieten. Die verschiedenen Partner spielen dabei unterschiedliche Rollen gemäß ihrer Stärken und relativen Vorteile – sei es an der Kundenschnittstelle, als Prozessspezialisten und Produktlieferanten oder als Orchestrator einer Plattform. Erfolgskritisch dabei ist es, aus der Sicht und dem Kontext der Kunden zu denken und diesen deutliche Mehrwerte oder intelligente Problemlösungen für ihre tatsächlichen Bedürfnisse zu bieten.

Die BaFin forderte jüngst zu Kooperationen auf. Wie gelingen erfolgreiche Kooperationen und was sind die ersten Learnings aus der PSD2-Umsetzung im Markt?

Die ersten Wochen nach Inkrafttreten der PSD2 waren eher holprig, was zu einem gewissen Teil auch an geringer gegenseitiger Kommunikation zwischen den Beteiligten im Vorfeld lag. Drittanbieter bemängelten die Qualität und die Bandbreite der Schnittstellen, Banken beklagten das geringe Testfeedback. Mit der gemeinsamen Erklärung der Bankenverbände und führender Finanz-Start-ups zur Migration auf PSD2-konforme Schnittstellen aus dem vergangenen Oktober ist ein erster Schritt getan. Wichtig für erfolgreiche Kooperationen ist jedoch auch, dass alle Parteien Chancen für sich und ihre Geschäftsmodelle erkennen und umsetzen können. Nur dann wird die PSD2 zu einem echten strategischen Open Banking führen und wahrnehmbare Mehrwert für die Endkunden entstehen.

Abschließend gefragt: Banken, Fintechs, Big-Techs – Wer wird die Ökosysteme und das Banking der Zukunft bestimmen? Und warum ist es daher wichtig, sich bei der Euroforum Jahrestagung „Open Banking“ am 6./7. Mai 2020 auszutauschen?

Jeder Akteur muss sich fragen, was seine Stärken und damit seine Wettbewerbsvorteile sind. Unternehmen wie amazon, Apple und Alibaba können aufgrund ihrer großen Kundenbasis und den entsprechenden Daten eine sehr intuitive, ansprechende und umfassende digitale Kundenerfahrung speziell im Konsumbereich bieten. Andererseits fehlen Ihnen gerade in Deutschland die regionale Verwurzelung und der Zugang zu älteren Konsumenten sowie noch die regulatorischen Infrastrukturen – diese sind wiederum Stärken der deutschen Banken. Außerdem vertrauen viele Kunden in Deutschland bezüglich sensibler Finanzdaten ihrer Bank noch deutlich mehr als Unternehmen wie Apple oder Google. Reine Fintechs bieten aufgrund ihrer technischen Affinität und Agilität attraktive Lösungen in individuellen Produkt- oder Servicebereichen. Sie arbeiten dabei aber oft partnerschaftlich mit Banken oder anderen Spielern im Mark zusammen, da ihnen allein meist die kritische Masse und das breite Produktportfolio fehlten.

Gerade bei jüngeren Kunden sind big techs prädestiniert dafür, digitale Kundenschnittstellen zu besetzen – und dazu gehören auch einfache Finanzdienstleistungen, die sich gut in die Customer Journey dieser Unternehmen integrieren lassen. Um ihre Relevanz speziell auch an der digitalen Kundenschnittstelle zu behalten, müssen sich Banken gut überlegen was ihre Mehrwerte für die Kunden sind bzw. wie sie mit anderen Anbietern kooperieren können, um langfristig entsprechende Mehrwerte zu bieten. Dies kann bedeuten, eine führende Rolle in einem regionalen Kontext zu spielen und Leistungen anderer Partner in eine eigene regionale Plattform zu integrieren oder eine Spezialistenrolle in einem größeren Ökosystem einzunehmen. Gerade das Vertrauen der Kunden in Banken bietet ein gutes Fundament bei komplexeren und sensiblen Finanz- und Vorsorgefragen. Es kann jedoch auch Basis sein, Leistungen in sensiblen Bereichen außerhalb des klassischen Bankings anzubieten wie beispielsweise Verwaltung von digitalen Identitäten. In jedem Fall sind Kooperationen mit den richtigen strategischen Partnern und die Erweiterung der derzeitigen Geschäftsmodelle erfolgskritisch – und dies sind u.a. die Themen auf der Euroforum Jahrestagung „Open Banking“ im Mai in Frankfurt.

Vielen Dank für das Interview.

Prof. Dr. Silke Finken Prof. Dr. Silke Finken
Professorin für International Management und Innovationen
International School of Management (ISM)