Das Thema „Autonomes Fahren“ ist aktuell in aller Munde. In den USA sind schon in mehreren Bundesstaaten automatisiert fahrende Autos eingeschränkt zugelassen. Wie weit ist der Stand im Vergleich in Deutschland?
Dr. Markus Burianski: Das Thema beschäftigt die deutschen Automobilhersteller und –zulieferer sehr stark. Auch mehrere deutsche Forschungsinstitutionen haben Projekte, die sehr weit fortgeschritten sind. Aktuell finden bereits „autonome“ Testfahrten auf deutschen Straßen statt. Doch in diesen umgerüsteten Fahrzeugen sitzt immer ein Fahrer, der im Notfall eingreifen könnte.
Ist autonomes Fahren denn überhaupt zulässig in Deutschland?
Christian M. Theissen: Hier muss man unterscheiden zwischen den verschiedenen Stufen eines solchen automatisierten Fahrens: Das „teilautomatisierte“ Fahren erleben wir bereits heute, insbesondere in der Oberklasse. Hier gibt es Fahrassistenzsysteme, die schon sehr weit gehen. Beispielsweise ein selbstständiges Fahren im Stau. Diese Systeme bewegen sich innerhalb des rechtlich Erlaubten, da der Fahrer weiterhin die Verantwortung hat und somit das Fahrzeug „führt“.
Dr. Markus Burianski: Rechtlich brisant wird es jedoch, wenn man noch ein paar Schritte weiter geht: Dem sogenannten „hoch- und vollautomatisierten“ Fahren, welches das eigentliche Ziel ist. Hierbei soll ein Fahrer gerade nicht mehr ständig die „Zügel in der Hand halten müssen“. Stattdessen könnte man die Zeit während der Fahrt für andere Dinge nutzen, wie beispielsweise zum Ausruhen oder Zeitunglesen. Gerade im Stau oder auf Nachtfahrten wäre es für viele Fahrer reizvoll, die Kontrolle abgeben zu dürfen. Dies ist jedoch nach der derzeit in Deutschland vorherrschenden Meinung nicht erlaubt.
Was verhindert denn ein autonomes Fahren aktuell?
Dr. Markus Burianski: Neben dem Erfordernis, dass ein Fahrzeug von einem Menschen „geführt“ wird, sind dies insbesondere Unklarheiten bei Haftungsfragen. Denn falls ein automatisiertes Auto in einen Unfall gerät, wird sich immer die Frage stellen, ob die Technik versagt hat. Zwar ist ein menschliches Versagen wesentlich häufiger, aber hier ist klar, wer der Verantwortliche ist. Im Fall eines fahrerlosen Fahrzeugs könnte es verschiedenste Fehlerquellen geben. Eventuell war ein Zusammenstoß sogar unvermeidbar, so dass das Fahrzeug „entscheiden“ musste, welches Objekt es rammt. Bis solche Haftungsfragen ansatzweise geklärt sind, werden weder Automobilhersteller noch Versicherungen es wagen können, die bereits vorhandene Technik im Alltag zu ermöglichen. Hinzu kommen noch zahlreiche weitere Unklarheiten in anderen Bereichen, beispielsweise Datenschutz und Arbeitsschutzrecht.
Bedeutet das, dass die deutsche Rechtslage ein Hemmschuh ist für die deutsche Automobilbranche?
Christian M. Theissen: Leider ja. Denn die Technik ist bereits soweit, dass ein Serieneinsatz – beispielsweise beschränkt auf Fernstraßen – in greifbarer Nähe ist. Jedoch muss hierfür die deutsche Rechtslage geklärt werden. Anderenfalls könnte es passieren, dass in 10-15 Jahren in anderen Ländern bereits automatisierte Autos fahren, aber in Deutschland nicht. Da dies massive Nachteile für die deutschen Automobilhersteller und –zulieferer brächte, muss die Politik hier sehr bald die Zeichen der Zeit erkennen und handeln. Dies erfordert aber, dass die beteiligten deutschen Unternehmen und Forschungseinrichtungen aktiv eine Klärung der rechtlichen Fragen angehen.
Wir danken Ihnen für das Interview und freuen uns auf Ihren ausführlichen Vortrag am 24. Juni 2014 auf der Konferenz Recht in der Automobil-Zulieferindustrie
Interview mit Dr. Markus Burianski, Rechtsanwalt und Partner, und Christian M. Theissen, Rechtsanwalt, White & Case LLP.
Kontakt: Elke Schneider, Senior Konferenz Manager EUROFORUM | XING