Andreas Schwenzer, Horváth & Partners

Während das Handelsvolumen für Strom in Deutschland am Terminmarkt nach dem Rekordjahr 2016 in 2017 wieder etwas zurückgegangen ist, steigt das Handelsvolumen am Spotmarkt seit Jahren kontinuierlich an. Im vergangenen Jahr belief sich der Spothandel auf 543 TWh. Dieser Trend ist insbesondere auf die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien (die sich kurzfristig verändern kann) sowie den steigenden Anteil an Marktteilnehmern und den immer kleinteiligeren Handel zurückzuführen.


Dadurch ergeben sich im Intraday-Handel zunehmende Herausforderungen im Management von schwer prognostizierbaren Preisbewegungen, hoher Preisvolatilität und extremen Preisszenarien, die häufig durch sich kurzfristig ändernde Wetterbedingungen hervorgerufen werden. Kommt es im Zuge dessen zu einer Über- oder Unterdeckung führt dies zu hohen Ausgleichsenergiekosten. Schon einzelne Vorkommnisse können den Unternehmenserfolg eines ganzen Jahres stark belasten. Die steigende Zahl an Marktteilnehmern und die höhere Anzahl an Transaktionen stellen Händler vor weitere Herausforderungen im Intraday-Handel. Zunehmend lässt sich daher der Trend zur Automatisierung des Handels beobachten. Vorteile dabei sind der schnellere Abbau von Positionen im hochdynamischen Umfeld sowie die Umsetzung des durchgängigen Handels.

Der automatisierte Handel wird aktuell von EPEX SPOT, HUPX, Nord Pool, BSP SouthPool und powernext/PEGAS, Nasdaq OMX durch standardisierte Software-Schnittstellen unterstützt und setzt eine Zertifizierung der entsprechenden Software voraus. Diese Zertifizierung haben mittlerweile mehrere Anbieter erfolgreich abgeschlossen.

Im Vergleich zum manuellen 24/7-Handel ist die Wirtschaftlichkeit einer Autotrading-Lösung im Vergleich bereits heute in vielen Fällen gegeben. Während die Personalkosten mit einem 24/7-besetzten Handel den Hauptanteil der Kosten ausmachen, können diese um bis zu 60% durch Einsatz von entsprechender Software reduziert werden. Dagegen fallen durch Autotrading einmalige Investitionen in die entsprechende IT-Implementierung sowie leicht höhere Kosten für den IT-Betrieb an. Die Einsparungen durch die Reduktion eines Schichtbetriebs und die damit geringere Zahl an Händlern fallen jedoch deutlich höher ins Gewicht.

Der automatisierte Intraday-Handel kann in verschiedene Reifegrade eingeteilt werden. Als Basisanwendung werden Handelsstrategien zum Bewirtschaften von Positionen automatisiert. Für ein Portfolio in der Direktvermarktung ohne Flexibilität ist diese Anwendung häufig ausreichend.

Im fortgeschrittenen Bereich basieren die Handelsstrategien nicht mehr nur auf der eigenen Position, sondern Ein- und Ausstiege werden durch komplexe Algorithmen festgelegt und komplett automatisiert gehandelt. Im Gegensatz zum automatisierten Handel in der Finanzindustrie ist der Energiehandel deutlich komplexer, da externe Einflüsse, wie z.B. Wetter oder Kraftwerksdaten, großen Einfluss auf den Preis haben. Für vollautomatisierte Systeme müssen deswegen auch solche Daten entsprechend einbezogen werden, um damit optimale automatische Entscheidungen treffen zu können. Deswegen wird bei den führenden Anwendungsfällen algorithmisches Trading mit weiteren Technologien wie künstliche Intelligenz und In Memory Datenbanken, beispielsweise SAP HANA, verbunden. Beispielsweise lassen sich durch den Einsatz von neuronalen Netzen oder Reinforcement Learning große Datenmengen auswerten, die die menschlichen Analyse-Leistungen bei weitem übertreffen. Ausschlaggebend ist dabei ein entsprechendes Data Warehouse oder Data Lake, in denen Daten von Wetter, über Kraftwerksdaten bis hin zu externen Daten, wie z.B. Nachrichtenfeeds, gesammelt werden und zur Auswertung zur Verfügung stehen.

Angesichts des rasanten Wandels der Energiemärkte und des stetigen Wachstums der Handelsvolumina wird der automatisierte Handel in vielen Unternehmen der Hebel sein, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Auch die stetig wachsende Zahl von Marktteilnehmern und die kontinuierliche Weiterentwicklung von Software-Lösungen zeigen die zunehmende Bedeutung. Mit dem XBID-Projekt wird aktuell zudem eine Plattform entwickelt, um einen in 15 Ländern integrierten grenzüberschreitenden Intraday-Markt für Strom zu schaffen. Dabei sind die Unternehmen gefordert anhand ihres Reifegrads die optimalen IT-Lösungen für automatisierten Handel einzusetzen, um die vollen Margen-Potenziale ausschöpfen zu können.