Weltweite Megatrends wie die Digitalisierung und das Internet der Dinge verschärfen die ohnehin schon hohe Komplexität und stellen Unternehmen vor ganz neue Herausforderungen: Durch zunehmende Volatilität ihrer Märkte müssen sie kurzfristig starke Nachfrageschwankungen abfedern.


Bestehende Geschäftsmodelle haben durch den technischen Fortschritt die Grenzen des Wachstums erreicht. Ob Taxis, Fotografie oder Zeitungsdruck, die Vernetzung ruft neue Mitspieler auf den Plan, die die Spielregeln komplett verändern. Aus mehreren heute noch erfolgreichen und getrennt vermarkteten Produkten werden immer häufiger Komplettlösungen, die verschiedene Technologien kombinieren. Dabei scheint irgendeiner immer eine Nasenlänge voraus zu sein, der vielleicht nicht besser, aber schneller und billiger produziert. Der Innovationsdruck wächst.

Gleichzeitig ermöglichen gerade zunehmende Vernetzung und Digitalisierung Technologiesprünge, die neue Potenziale freisetzen. Für die Unternehmen des Maschinenbaus bedeutet dies Anforderung und Chance zugleich, passgenaue Multitechnologielösungen in immer kürzeren Entwicklungszyklen zu realisieren und dem Kunden individuelle Lösungen anzubieten. Klassische Entwicklungsmethoden stoßen dabei zunehmend an ihre Grenzen. Um dauerhaft erfolgreich zu bleiben und das Tempo halten zu können, müssen die Unternehmen ihre Prozesse und Methoden überdenken.

Vom Tanker zum Schnellboot
Ein vielversprechender Ansatz sind Entwicklungsmethoden aus der Softwareindustrie. Anstatt eines großen Lastenheftes mit allen geplanten Schritten werden die Entwicklungsziele in Zwischenetappen aufgeteilt. Projektteams arbeiten parallel viele kleine, überschaubare Aufgaben ab. Die Zwischenergebnisse werden immer wieder den Kunden und Endanwendern vorgestellt und die Anforderungen aktualisiert.

Alles nichts Neues, alles schon gelernt? Was im IT-Bereich längst etablierte Praxis ist, lässt sich nicht eins zu eins auf die Entwicklung von Automatisierungskomponenten oder ganzen Maschinen übertragen. Mit der Vielfalt der Fachdisziplinen, die in einem Projektteam zusammenkommen, steigt beispielsweise der Verständigungsaufwand. Informatiker, Elektrotechniker und Maschinenbauer müssen sich technologieübergreifend auf eine gemeinsame Sprache einigen und ein gemeinsames Problemverständnis entwickeln. Eine Aufgabe, die schon innerhalb der Informatik schwierig werden kann. Hinzu kommt, dass die Anforderungen des Kunden in kleinteilige Module übersetzt werden müssen, die zum einen nacheinander abgearbeitet, zum anderen dem Kunden greifbar präsentiert werden können. Gerade bei der Entwicklung neuer Hardware ist das eine Herausforderung.

Flexible Strukturen für Projektteams die Experten aus verschiedenen Disziplinen zusammen zu bringen und Raum zu lassen für unkonventionelle Ideen statt fester Linienorganisation und geschickter Ressourceneinsatz sind organisatorische Voraussetzungen für den Erfolg des Projektes. Dabei gilt der Grundsatz „One man, one task.“ Jedes Teammitglied sollte sich für den Zeitraum des Projektes auch zu mindestens 80 Prozent auf die aktuelle Arbeit fokussieren können. Den Mitarbeitern wird dabei mehr eigenverantwortliches unternehmerisches Denken und Handeln abverlangt – und dem Management die Fähigkeit, die Mitarbeiter bei dieser Umstellung optimal zu unterstützen.

 

Den Mitarbeitern wird dabei mehr eigenverantwortliches unternehmerisches Denken und Handeln abverlangt – und dem Management die Fähigkeit, die Mitarbeiter bei dieser Umstellung optimal zu unterstützen.

Technologische Differenzierung und neue Geschäftsmodelle
Doch „Agile“ ist nicht umsonst auf dem Vormarsch in der fertigenden Industrie. Erste Erfahrungen zeigen, dass sich der Aufwand lohnt. Das Ergebnis sind höhere Transparenz im Entwicklungsprozess, insbesondere was Zeit und Kostenvorgaben betrifft – und mehr Spaß bei der Arbeit.

Insbesondere mit Industrie 4.0 und der Vernetzung des gesamten Wertstromes wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit unerlässlich. So können Synergien aus unterschiedlichen Technologien entstehen, die dem Kunden Vorteile durch technologische Differenzierung vom Wettbewerb verschaffen, neue Zielgruppen können identifiziert und neue Geschäftsmodelle entwickelt werden. Beispielsweise eröffnen sich für viele Hersteller von Hardware neue Potenziale mit datenbasierten Dienstleistungen rund um ihre Produkte. Kurz: Nur wer sich schnell den neuen Gegebenheiten anpasst, sichert die Unternehmenszukunft auch in dieser volatilen und  schnelllebigen Zeit.

Rolf Najork

 

Rolf Najork
Vorstandsvorsitzender der Bosch Rexroth AG
 

 

Dieser Beitrag ist Teil der aktuellen Ausgabe des Handelsblatt Journals „Industrie 4.0 – Smart – Agile - Connected“, das Sie hier erhalten können