Herr Sennhenn, die Bahn ist unbestritten ein Technikunternehmen, bislang aber nicht als IT-Pionier bekannt. Aber gerade Sie entwickeln ein digitales Abbild des kompletten deutschen Bahnnetzes. Warum diese Mammutaufgabe?
Die Digitalisierung des Bahnnetzes ist ein wirklich großes und wie ich finde unerlässliches Vorhaben. Bis 2030 soll alleine der Güterverkehr auf der Schiene um über 40 Prozent wachsen und damit deutlich schneller sein als die physische Infrastruktur. Gleichzeitig steigen die Nutzer-Erwartungen, was Geschwindigkeit, Flexibilität und Qualität unserer Angebote angeht. Das können wir nur erfüllen, wenn wir die digitale mit der vorhandenen physischen Infrastruktur verschmelzen.
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Wo stehen Sie heute mit der Umsetzung dieser Vision von der digitalen Infrastruktur?
Frank Sennhenn: So etwas entsteht nicht über Nacht. Unsere IT-Organisation mit CIO Holger Ewald an der Spitze setzt seit 2010 den selbstentwickelten „IT-Masterplan“ Schritt für Schritt um. Letztes Jahr haben wir unseren „IT-Baukasten“ in Betrieb genommen. Damit brechen wir Verfahrenssilos auf und entwickeln sukzessive Services, die von mehreren Anwendungssystemen gleichzeitig genutzt werden können. Das spart Zeit und Geld. Wir konnten zum Beispiel in Rekordzeit die Anbindung des Trassenportals entwickeln für Online-Bestellungen von europaweiten Güterverkehren.
Was sind die besonderen Herausforderungen?
Da ist sicher die schiere Größe – wir betreiben schließlich die größte Eisenbahninfrastruktur Europas. Wenn wir ein Projekt umsetzen, dann betrifft das oft Tausende von Mitarbeitern und ein „Werksgelände“, das die gesamte Republik umfasst und auf dem jeden Tag 40.000 Züge unterwegs sind. Wir müssen also versuchen, Innovationen in kleinen, schnellen Teams zu entwickeln und dann sicherstellen, dass sie in der Fläche zum Erfolg führen. Das klappt nur, wenn wir die bestmögliche Verbindung von IT und Geschäftsprozessen hinbekommen. Dazu müssen die geschäftsführenden Einheiten den Nutzen erkennen, den ihnen der IT-Baukasten bietet, und aktiv am Gestaltungsprozess arbeiten, während die IT-Fachleute die Geschäftsprozesse von Anfang an mitdenken müssen. Das ist eine wunderbare Symbiose, die die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens sicherstellt.
Wie nehmen Sie die Mitarbeiter auf dieser Reise mit?
Am besten funktioniert in solchen Fällen das gute Beispiel. Und von denen haben wir eine ganze Menge. Neben der Anbindung des Trassenportals haben wir unter anderem die Industrialisierung der Fahrplan-Prozesse umgesetzt. Seit rund einem Jahr bieten wir zudem den Eisenbahnverkehrsunternehmen DB Live Maps an. Das ist eine innovative Lösung zur echtzeitnahen, kartenbasierten Darstellung von Zügen auf unserem Netz. Schließlich haben wir die IT-Systeme der acht Bahn-Betriebszentralen quasi über Nacht und völlig geräuschlos modernisiert. Und wir haben eine interaktive Anwendung „KV-Terminals“ umgesetzt, über die alle schienenangebundenen öffentlichen Containerterminals in Europa mit den dazugehörigen Direktverbindungen und deren Operateuren abgerufen werden können.
Wie weit soll die Reise noch gehen?
Wir haben gerade erst begonnen, die Chancen des IT-Baukastens für unser Geschäft zu entdecken. Es ist für mich der Grundstein für das Internet der Dinge. Unser Ziel ist klar: Wir wollen effizienter und flexibler werden und damit dem Schienenverkehr weitere Wettbewerbsvorteile etwa gegenüber der Straße verschaffen.
Ein Interview mit Frank Sennhenn, Vorstandsvorsitzender der DB Netz AG, zur Digitalisierung der Bahninfrastruktur
Kontakt: Tobias Knoben, Senior Conference Manager EUROFORUM | XING
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